
- Auszug
Von 1990 bis 2009, dem Jahr seines Todes, vermittelte mir Professor Jack Masquelier Wissen aus erster Hand, das auf jahrzehntelangen wissenschaftlichen Untersuchungen beruhte, die er durchgeführt oder akribisch überwacht hatte. Außerdem übergab er mir stapelweise Originalunterlagen. Akten, Veröffentlichungen und handschriftliche Notizen über die wissenschaftliche, intellektuelle, industrielle und kommerzielle Geschichte seiner OPCs. Er nahm sich die Zeit, sorgfältig und geduldig die Struktur der OPCs, ihre gesundheitlichen Wirkungen und ihre Funktionsweisen zu erklären. Zu diesen zahlreichen Dokumenten gehört auch ein Artikel, den er 1990, dem Jahr unserer ersten Begegnung, in der französischen „Bibliothekszeitschrift“ NUTRITION veröffentlichte. (i) In diesem Artikel erklärt Masquelier die Vorteile der OPCs für Menschen, die sich um ihre Gefäßgesundheit sorgen, für diejenigen, deren Ernährung reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFAs) ist, für ältere Menschen, für Menschen, die sich längere Zeit in der Sonne aufhalten, für Patienten, die mit synthetischen Hormonen, Steroiden oder Antitumormitteln behandelt werden, und nicht zuletzt für Raucher.
Inhalt
Herbstblätter enthalten OPCs
Der Anblick der sich im Herbst rot verfärbenden Blätter ist ein besonderes Schauspiel, vor allem in Quebec, wo sich tausende Ahornbäume innerhalb weniger Tage purpurrot färben. Die Blätter verfärben sich so schnell, dass man sich nicht vorstellen kann, wie diese Bäume, die sich kurz vor dem Ende ihrer Vegetationsperiode befinden, eine so große Menge an Pigmenten synthetisieren können. Daraus kann man schließen, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um eine Neuschöpfung handelt, sondern um die Umwandlung eines farblosen Vorläufers. Der Mechanismus, der dahinter steckt, ist noch nicht vollständig geklärt, aber wir wissen, wie man diese Vorstufen aus Pflanzengeweben im Labor extrahiert und sie mit einem einfachen und schnellen Verfahren rot färbt. Genau solche Substanzen sind Proanthocyanidine (ii). Sobald sie in farbloser Form aus der Pflanze isoliert sind, können sie in Cyanidin umgewandelt werden, d. h. in die roten Pigmente, die in Blüten und Früchten vorkommen. Proanthocyanidin bedeutet einfach: Cyanidin-Vorstufe. Die intensive Farbe, die sie hervorrufen, hat die Aufmerksamkeit von Chemikern erregt und war Gegenstand zahlreicher theoretischer Untersuchungen. Aber die medizinischen Eigenschaften der Proanthocyanidine sind von noch größerem Interesse. Es lohnt sich, die Geschichte dieser Entdeckung zu erzählen.
Wie wurden die Proanthocyanidine entdeckt?
Alles begann im Jahr 1945, als die Lebensmittelknappheit in Frankreich noch ein großes Problem war. Jede neue Quelle für Nahrungsproteine war eine willkommene Ergänzung. Eine solche Quelle war die ausgepresste Erdnussmasse, ein industrielles Nebenprodukt der Ölgewinnung, die normalerweise nur an Vieh verfüttert wird und aufgrund ihres Gehalts an Aminosäuren für den menschlichen Verzehr als geeignet galt. Wir alle kennen die dünne rötliche Haut, die Erdnüsse umhüllt. Sollte sie entfernt werden? Ist der rote Farbstoff für den menschlichen Verzehr völlig unschädlich? Ich wurde gebeten, diese Fragen zu untersuchen. Nachdem ich das Pigment isoliert und seine Unbedenklichkeit bestätigt hatte, stellte ich fest, dass die Häutchen eine farblose Substanz enthielten, die beim Erhitzen mit einer Säure hellrot wurde. Die chemische Struktur dieses Vorläufers ähnelte der von Catechinen, Substanzen, die damals für ihre wohltuende Wirkung auf das Gefäßsystem bekannt waren. In verschiedenen Tierversuchen zeigte sich, dass das farblose Produkt die gleichen Eigenschaften hatte, aber in viel stärkerem Maße. Ich hatte gerade das erste Proanthocyanidin isoliert und seine starke Schutzwirkung auf die kleinen Blutgefäße nachgewiesen.
Das Pflanzenreich enthielt also farblose Bestandteile, die in der Lage waren, intensiv rote Pigmente zu erzeugen, und die zudem in der Lage waren, die Blutungsanfälligkeit bestimmter Patienten aufgrund ihrer schwachen Blutkapillaren zu heilen. 1948 begann man, Proanthocyanidin aus Erdnüssen therapeutisch zu nutzen. Seitdem werden von der pharmazeutischen Industrie verschiedene andere pflanzliche Quellen (Kiefernrinde, Traubenkerne) zur Gewinnung dieser Substanzen verwendet. Millionen von Patienten mit Gefäßkrankheiten haben von diesen Medikamenten profitiert, deren Sicherheit nie in Frage gestellt worden ist.
Schutz vor Gefäßerkrankungen
Können wir den Mechanismus hinter der schützenden Wirkung der Proanthocyanidine erklären? Ursprünglich vermuteten einige Biologen, dass die Wirkung des Adrenalins, eines bekannten Vasokonstriktors, verlängert wird. Man nahm an, dass die Kapillare nicht mehr „leckt“, weil ihr Durchmesser abnimmt und weniger zirkulierendes Blut enthält. Diese Hypothese wurde jedoch verworfen, da Proanthocyanidine keinen Bluthochdruck verursachen, was man bei einer Beteiligung von Adrenalin erwarten würde. Andererseits konnte ich nachweisen, dass sie eine starke Affinität zu Kollagen und Elastin haben, den Hauptbestandteilen der Blutgefäßwände, die sie sowohl geschmeidig als auch widerstandsfähig machen. Wenn sie sich an die Blutgefäßwände binden, verbessern Proanthocyanidine die Kohäsionsfähigkeit der mikroskopischen Fasern, die die Struktur dieser Stoffe bilden. Kurz gesagt, die „Röhre“ ist nicht mehr undicht, weil ihre Wand fester geworden ist. Schließlich konnten wir zeigen, dass Proanthocyanidine die übermäßige Bildung von Histamin in den Gefäßwänden hemmen. Histamin, das durch den biologischen Abbau der Aminosäure Histidin entsteht, erhöht die Durchlässigkeit dieser Wände. So kommt es zur Blutung von Magengeschwüren, wenn z. B. durch Stress Histamin aus der Magenschleimhaut ausgeschüttet wird. Alle diese Faktoren zusammen verleihen den Proanthocyanidinen eine starke vaskuloprotektive Wirkung. 40 Jahre lang wurde nur diese Eigenschaft zu therapeutischen Zwecken genutzt. Eine weitere chemische Eigenschaft des Moleküls, nämlich seine antioxidativen Eigenschaften, wurde übersehen. Im Jahr 1986 wurde entdeckt, dass diese Eigenschaft den Proanthocyanidinen eine starke Fängerwirkung auf freie Sauerstoffradikale (OFRs von engl. oxygenated free radicals) verleiht, was sofort das Interesse der Ernährungswissenschaft weckte.
Forschung zur Langlebigkeit
Die Grundlage für die Erforschung des Radikalfänger-Effekts bilden die 1968 in den USA durchgeführten Experimente von Harman. Dieser Biologe stellte fest, dass die Zugabe von BHT (Butylhydroxytoluol) zur Nahrung von Mäusen deren Überlebenschancen erhöhte. BHT ist ein Produkt, das in der Industrie verwendet wird, um verschiedene Lebensmittel vor den schädlichen Auswirkungen von Sauerstoff zu schützen, zu denen auch das Ranzigwerden von Fetten gehört. Harman verwendete sorgfältig durch Klonen ausgewählte Mäusestämme, die sich nur in ihrer Lebenserwartung unterschieden. Mit BHT konnte er die Überlebensschwelle von Mäusen, denen normalerweise ein früher Tod drohte, um 45 % anheben und ihre Lebenserwartung auf die der Tiere mit mehr Glück erhöhen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Lebenserwartung bei allen Chargen gleich blieb (etwa zwei Jahre, ein Merkmal dieser Spezies). Die einzige Wirkung von BHT war der Schutz der gefährdeten Tiere vor einem frühen Tod.
Damals glaubte Harman, dass diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen werden könnten, indem man der Ernährung ein Antioxidans hinzufügt. Die meisten Biologen hielten diese Ansicht für utopisch. Jedenfalls war es aus zwei Gründen nicht möglich, sie zu verifizieren.
- Unter den bekannten Substanzen war kein Antioxidans sicher genug, um es Menschen über einen längeren Zeitraum täglich zu verabreichen.
- Die Langlebigkeit der menschlichen Spezies erstreckt sich über ein Jahrhundert, so dass das Experiment mindestens 50 Jahre fortgesetzt werden müsste, damit man das Ergebnis auswerten könnte.
Wie wirken freie Radikale?
In der Zwischenzeit hatten sauerstoffhaltige freie Radikale (OFRs) ihren Einzug in die Biologie gehalten. Lange Zeit galten radikale Reaktionen aufgrund ihrer Heftigkeit als unvereinbar mit der Empfindlichkeit von lebendem Gewebe. Sie wurden nur in der chemischen Industrie eingesetzt. 1969 wiesen Fridovich und McCord nach, dass radikaler Sauerstoff, das Superoxidanion, eine Rolle in der Zellbiochemie spielt. Die Auswirkungen dieser Entdeckung auf die Medizin und die Biologie im Allgemeinen waren immens. Die jüngste Entwicklung auf diesem Gebiet betrifft die Verwendung von Radikalfängern als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel. Um die Natur der radikalen Reaktionen vollständig zu verstehen, muss man sich nicht in abstrakte physikalisch-chemische Diskussionen verwickeln, die nur für Spezialisten von Interesse sind. Betrachten wir stattdessen ein alltägliches Beispiel, etwa wenn ein Behälter mit Fett ranzig wird. Alles beginnt an der Oberfläche, wo das Fett mit der Luft und daher mit Sauerstoff in Berührung kommt. Der betreffende Sauerstoff liegt jedoch nicht in seiner üblichen molekularen Form, dem O2, vor. Man hat herausgefunden, dass Kälte und Dunkelheit den Prozess verlangsamen, während Wärme und Licht ihn beschleunigen. Dies deutet darauf hin, dass eine erste Energiezufuhr (Wärme, Licht) erforderlich ist. Dieser „Energieschub“ wird genutzt, um eines der Elektronen, die die Sauerstoffkerne umkreisen, zu entfernen. Dieser Ladungsverlust erzeugt den extrem aggressiven radikalen Zustand, den Biochemiker als „die dunkle Seite des Sauerstoffs“ bezeichnen. Wenn man nicht schnell handelt, wird der gesamte Behälter mit Fett ranzig. Die Oxidation erfolgt nach und nach. Einmal in Gang gesetzt, lässt sie sich nicht mehr aufhalten – es handelt sich um eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion. OFRs dauern Mikrosekunden, generieren aber trotz ihres flüchtigen Charakters andere Radikale, bevor sie wieder verschwinden. In Fetten sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFAs) das bevorzugte Ziel für OFRs. Die Öle, die am reichsten an PUFAs sind, sind daher am anfälligsten. In der Industrie sind sie als „Sikkative“ bekannt, was sich auf die Tatsache bezieht, dass sie unter Einwirkung von Sauerstoff weniger flüssig werden.
Wie kann der menschliche Körper „ranzig“ werden?
Können wir das, was wir über den Fettbehälter wissen, auf den menschlichen Körper übertragen? Seltsamerweise haben die Wörterbücher diese Frage schon lange mit dem Wort „ranzig werden“ beantwortet. Bildlich gesprochen bedeutet es, dass man altert, indem man seine Eigenschaften verliert. Ausnahmsweise sind sich Sprachwissenschaftler und Biochemiker einig. In der Tat bietet unser Körper den OFRs ihre Lieblingsbeute:
- mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die in allen Zellmembranen zu finden sind und ihnen die erforderliche Fluidität verleihen, damit sie ihre Beziehungsfunktionen erfüllen können. Unter der Einwirkung von OFRs verlieren die Membranen die PUFAs, verhärten sich und lassen keinen Austausch mit der Umwelt mehr zu.
- Bindegewebe, wo Kollagen und Elastin angegriffen werden, was zu einer beschleunigten Alterung führt: Verlust von Geschmeidigkeit, Widerstandsfähigkeit und Wasseraufnahmefähigkeit. Dies betrifft nicht nur die Haut, wo die Schäden deutlich sichtbar sind, sondern das gesamte Kreislaufsystem: Kapillaren, Arterien, Venen und Lymphgefäße.
- Die DNA, Träger des genetischen Codes, wird durch OFRs beschädigt, was zu Fehlern in der Proteinsynthese führt.
- Verschiedene „präkarzinogene“ Moleküle, die an sich nicht gefährlich sind, es aber durch radikale Oxidation werden und so den Weg für die Entstehung von Tumoren freimachen.
- Schließlich können viele körperfremde Stoffe, die entweder durch Medikamente oder durch die Nahrung zugeführt werden, nicht auf dem üblichen Weg aus dem Körper ausgeschieden werden und erfordern das Eingreifen von OFRs. Sie sind vergleichbar mit schlechtem Brennmaterial wie etwa feuchtem Holz, das erst dann Feuer fängt, wenn sehr viel trockenes Holz hinzugefügt wird. Dazu gehören zum einen synthetische organische Moleküle, die in der Therapie weit verbreitet sind, und zum anderen Alkohol, von dem eine übermäßige Menge bekanntlich zur Bildung von OFRs führt, die als „Aasfresser“ wirken.
Schutzmaßnahmen gegen die Wirkung freier Radikale
In einer solchen Situation ist es ein Wunder, dass die Menschheit überhaupt überlebt hat! Glücklicherweise hat die Natur für Schutzmaßnahmen gesorgt. Sie hat unsere Zellen mit einer Reihe von Enzymen (Superoxiddismutase, Katalase, Glutathionperoxidase) ausgestattet, die für den Abbau überschüssiger OFRs verantwortlich sind. Da es sich aber von Natur aus um Enzyme handelt, kann dieser Schutz versagen. Zum einen wegen der individuellen Variationen, die jedem genetischen Merkmal innewohnen, und zum anderen, weil Enzyme Proteine sind, deren Synthese mit dem Alter abnimmt. Es sind also ältere Menschen, die am wenigsten geschützt sind, was bestätigt, dass es Personen gibt, die durch radikale Angriffe gefährdet sind. Einen letzten Ausweg bieten unsere Lebensmittel, die verschiedene natürliche Antioxidantien (Vitamin E, Vitamin C) und Spurenelemente (Selen) enthalten, welche die Aktivität der Schutzenzyme verstärken. Die Aufnahme mit der Nahrung ist jedoch willkürlich, was die dringende Suche nach wirklich zuverlässigen OFRs-Fängern rechtfertigt. Verschiedene Bedingungen müssen dafür erfüllt sein:
- Der Fänger muss unschädlich sein, auch wenn er über einen längeren Zeitraum verwendet wird.
- Nachgewiesene Wirksamkeit in vitro.
- Verfügbarkeit im Körper. Dies ist eine wesentliche Bedingung. Das bedeutet, dass der über den Verdauungstrakt aufgenommene Fänger in der Lage sein muss, sich im ganzen Körper zu verteilen, um immer und überall dort präsent zu sein, wo ein radikaler Angriff stattfindet.
Tatsächlich erfüllen von allen untersuchten Naturstoffen nur die Proanthocyanidine diese Kriterien, wie ich im Jahr 1986 nachgewiesen habe. Ihre Sicherheit und Bioverfügbarkeit sind uns seit langem bekannt. Als OFRs-Fänger übertrifft ihre Wirksamkeit bei weitem die der anderen Substanzen, die ich in vitro im Vergleich getestet habe. Ein Jahr später wurden meine Ergebnisse von Forschern der Universität Nagasaki bestätigt. Ein in Japan untersuchtes Proanthocyanidin erwies sich als 50-mal aktiver als Vitamin E, die Referenzsubstanz für solche Tests. Schließlich entwickelte ich 1988 ein Verfahren, das es ermöglichte, die Fängerwirkung von Proanthocyanidinen beim Menschen zu bewerten und damit die von Harman 20 Jahre zuvor geäußerten Hoffnungen zu erfüllen.
Proanthocyanidine: die neuen Nahrungsergänzungsmittel
Die Zeit ist also reif für die Verwendung von Proanthocyanidinen in der Nahrung. Vorbehaltlich ihrer vaskulären Wirkungen in der therapeutischen Anwendung, erscheint es mir logisch, diese Substanzen als Nahrungsergänzungsmittel zu betrachten, die den Mangel an wirklich wirksamen Antioxidantien in der Ernährung ausgleichen können. Man könnte nun einwenden, dass Proanthocyanidine, die aus dem Pflanzenreich stammen, in Obst und Gemüse reichlich vorhanden sind. Könnte es wirklich sinnvoll sein, aus ihnen Tabletten herzustellen? Aus Erfahrung wissen wir, dass diese Inhaltsstoffe an ganz bestimmten Stellen der Pflanzen zu finden sind: Schalen, Rinden, Häuten, Samenhüllen, holzigen Fasern – mit anderen Worten, in all den ungenießbaren Teilen, die wir bei der Zubereitung unserer Mahlzeiten entfernen.
Weintrauben sind ein gutes Beispiel: Die meisten Proanthocyanidine befinden sich in den Kernen und sind nicht im Fruchtfleisch enthalten. Und selbst wenn wir die Kerne verschlucken würden, könnten sie ihren Inhalt nicht in den Verdauungstrakt abgeben. Traubensaft und Weißwein, die durch Auspressen von Trauben gewonnen werden, enthalten fast keine Proanthocyanidine. Rotwein hingegen enthält hohe Mengen (z. B. 500 mg pro Liter), da der Most gärt, wenn er mit den Kernen in Kontakt kommt, und der Alkohol ihre Extraktion auslöst.
Diätetische Indikationen für Proanthocyanidine
Was sind die diätetischen Indikationen für Proanthocyanidine? Sie lassen sich in drei Kategorien einteilen:
1. Ernährung reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren
Wie wir alle wissen, erfreuen sich in jüngster Zeit, völlig zu Recht, Speiseöle, die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFAs) sind, großer Beliebtheit, da sie als besonders nützlich zur Vorbeugung von Atherosklerose angesehen werden. Unser Körper ist nicht in der Lage, verschiedene so genannte essenzielle Fettsäuren zu synthetisieren, und der Verzehr von PUFAs schließt diese Lücke. Wir wissen jedoch, dass PUFAs die bevorzugten Ziele von OFRs sind, und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Fettsäuren den zerstörerischen Auswirkungen von OFRs ausgesetzt werden, bevor sie ihr Ziel in den Zellen erreichen. Ginge es nur um die gefährliche Reise, wäre der einzige Nachteil der Abfall. Aber die Lipidperoxidation, der komplexe Prozess, bei dem Fettsäuren abgebaut werden, geht mit der Produktion einer riesigen Menge von OFRs einher, von denen einige wesentlich giftiger sind als das Superoxidanion. Unsere natürlichen Abwehrkräfte haben große Mühe, diesen enormen Zustrom von Radikalen unter Kontrolle zu halten. Jede Ernährungsempfehlung zum Verzehr von PUFAs wird einen Ansturm von OFRs auslösen. Daher muss gleichzeitig ein zuverlässiger Fänger verabreicht werden. Damit imitieren wir die Natur, die PUFAs nur zusammen mit einem Antioxidans speichert. Meistens ist es ein Proanthocyanidin, das diese Funktion erfüllt, wie es in Erdnüssen, Traubenkernen, Haselnüssen usw. der Fall ist.
2. Ältere Menschen
Bei älteren Menschen nimmt die Wirksamkeit der natürlichen enzymatischen Abwehrkräfte ab, so dass eine externe Unterstützung in Form von Proanthocyanidinen erforderlich ist. Der Schutz des Bindegewebes ist unerlässlich, nicht nur um die Alterung der Haut zu verzögern, sondern auch um das Gefäßsystem als Ganzes funktionsfähig zu halten.
3. Gefährdete Menschen
Ob notgedrungen oder gewohnheitsmäßig, viele Menschen gehen Risiken mit OFRs ein:
- Notgedrungen, weil sie sich nicht immer vor externen Quellen von OFRs schützen können, z. B. wenn sie sich längere Zeit in der Sonne oder in Höhenlagen aufhalten, wie es in einigen Berufen erforderlich ist. Dies gilt auch für Patienten, die mit Arzneimitteln wie synthetischen Hormonen, Steroiden, Antitumormitteln und ganz allgemein mit synthetischen polyzyklischen Molekülen behandelt werden, da man weiß, dass diese Substanzen nur durch einen radikalen Prozess abgebaut werden können.
- Gewohnheitsmäßig, durch Tabak- und Alkoholkonsum. Rauchen zerstört Vitamin C, wodurch dem Körper ein natürliches Antioxidans entzogen wird. Proanthocyanidine schließen diese Lücke und verstärken dank ihrer schützenden Wirkung auf die Ascorbinsäure die Wirksamkeit von Vitamin C. Alkoholismus und OFRs sind direkt miteinander verbunden. Alkohol in Mengen, die über die für das ADH-System (Alkoholdehydrogenase) in der Leber akzeptablen Dosen hinausgehen, muss über einen radikalischen Weg eliminiert werden. Die Arbeiten von Nordmann zeigen, dass die für Alkoholiker spezifischen organischen Schäden das Ergebnis von Angriffen durch OFRs sind. Es ist also durchaus angebracht, starken Trinkern Proanthocyanidine zu verschreiben. Die Berechtigung dieser Praxis lässt sich aus den sehr strengen epidemiologischen Daten ableiten, die weltweit verfügbar sind. Die Sterblichkeitsrate durch Alkoholismus ist in Bevölkerungsgruppen, die ihren Alkohol in Form von Rotwein trinken, immer niedriger (um den Faktor 2 bis 4) als in Bevölkerungsgruppen, die ihn in Form von Weißwein oder einem anderen alkoholischen Getränk trinken. Die Proanthocyanidine im Rotwein spielen unbestreitbar eine schützende Rolle. Dies gilt aber natürlich nur für einen moderaten Konsum. Aufgrund der Kettenreaktion von radikalen Prozessen überwiegt bei übermäßigem Alkoholkonsum die Fängerwirkung der Proanthocyanidine, die sich in linearer Weise ausdrückt.
Die Pflanzenwelt hält noch viele Überraschungen für uns bereit
Zum Abschluss dieses kurzen Überblicks über die Proanthocyanidine gilt es zwei Bemerkungen zu machen. Zunächst einmal müssen wir anerkennen, dass die Therapeutik seit einem halben Jahrhundert von der synthetischen Chemie beherrscht wird. Obwohl die meisten Erfolge in der Heilkunst von Modellen pflanzlichen Ursprungs inspiriert wurden, flößt das synthetische Molekül mehr Vertrauen ein als die undefinierten Mixturen der Kräutertee-aficionados.
Zumindest ist das die offizielle Meinung. Immerhin zeigt die breite Öffentlichkeit ständig ihre Unterstützung für „alternative“ Medikamente, ein Begriff, der impliziert, dass diese wunderbaren Moleküle nicht immer sehr sanft sind und dass ihre Nebenwirkungen gewaltig sein können. Die Proanthocyanidine zeigen, dass die Pflanzenwelt immer noch einige angenehme Überraschungen für uns bereithält, indem sie Wirksamkeit und Sicherheit miteinander verbinden. In diesem speziellen Fall können wir sehen, dass ein natürliches Heilmittel in der Lage ist, die Schäden zu reparieren, die durch eine Reihe von Produkten der organischen Synthese verursacht werden.
Meine zweite Bemerkung läuft Gefahr, als chauvinistisch bezeichnet zu werden. Die Wirkung von Proanthocyanidinen auf den menschlichen Körper wurde in Frankreich entdeckt, und unser Land ist auf diesem Gebiet führend. Ich hoffe, dass die Franzosen weiterhin an der Spitze der diätetischen Anwendungen stehen werden und dass unser Wissen zur Abwechslung einmal nicht von der anderen Seite des Atlantiks kommt.
Prof. Jack Masquelier / Martillac, France / 1990
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[i] Im französischen Originaltext verwendet Masquelier den Begriff „procyanidols“. Im Kontext des Artikels sind unter „procyanidols“ (übersetzt: „Procyanidine“) die OPCs zu verstehen.
[ii] PROANTHOCYANIDINS: SUBSTANCES THAT FIGHT FREE RADICALS; Prof. Jack Masquelier, Evolutionary Nutrition; Quarterly Journal, No. 11, 3rd Quarter 1990; Éditions RETZ, Paris.