Das amerikanische Paradox

Regierungen versuchen Lebensmittelunternehmen daran zu hindern, Verbraucher über den Gehalt an Antioxidantien in ihren Produkten zu informieren. Zu diesem Zweck definieren sie den Begriff als „gesundheitsbezogene Angabe“ um. Für Verbraucher wird es dadurch schwerer, den Nutzen von Antioxidantien als Radikalfänger mit einem bestimmten Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, das diese enthält, in Verbindung zu bringen.
  • Auszug

Weltweit sind die Regierungen ständig damit beschäftigt zu regeln, was „Lebensmittelunternehmen“ dürfen, was sie nicht dürfen und was sie den Verbrauchern über den Inhalt und die Wirkungen ihrer Produkte mitteilen müssen. Staatliche Behörden, Regulierer und „Experten“ tun so, als wüssten sie, was gut für uns ist, und deshalb müssten sie, und nicht wir, entscheiden, welche Informationen wir erhalten sollen und vor allem, welche nicht. Das Ergebnis ist, dass praktisch alle Informationen, die wir heute auf einem Lebensmittelprodukt finden, einheitlich von unserer Regierung stammen oder von ihr streng reguliert werden. Mit anderen Worten: Die Etiketten und Verpackungen von Lebensmitteln dienen jetzt als „Plattform“ für staatlich kontrollierte Informationen. Wenn wir lesen, was auf dem Etikett oder der Verpackung eines Lebensmittels steht, gehen wir davon aus, dass wir Informationen erhalten, die vom Hersteller des Produkts stammen. In Wirklichkeit ist es jedoch die Regierung, die anonym mit uns spricht.

 

Gesundheitsbewusste Verbraucher sind sich der zahlreichen gesundheitlichen Vorteile von Nährstoffen bewusst, die als „Antioxidantien“ bezeichnet werden. Der Hauptnutzen dieser Nährstoffe besteht darin, dass sie in der Lage sind, freie Radikale zu neutralisieren. Vor etwa dreißig Jahren begannen Nahrungsergänzungsmittel, die Antioxidantien enthalten, zu einer äußerst wichtigen Kategorie von Gesundheitsprodukten aufzusteigen. Wie aufs Stichwort fingen die Regierungen unverzüglich an, die kommerzielle Verwendung des Begriffs „Antioxidans“ streng zu regulieren. Daher entschied die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Agency) am 9. Juni 1997, dass der Begriff „Antioxidans“, obwohl er eindeutig antioxidative Substanzen charakterisiert, als „gesundheitsbezogene Angabe“ zu betrachten sei. Infolgedessen darf einem Nährstoff nur dann eine antioxidative Wirkung zugeschrieben werden, wenn diese offiziell „anerkannt“ ist und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, die zeigen, dass „die Substanz an physiologischen, biochemischen oder zellulären Prozessen beteiligt ist, die freie Radikale inaktivieren oder durch freie Radikale ausgelöste chemische Reaktionen verhindern“.

Das klingt zwar immer noch recht vernünftig, aber die FDA hat auch festgelegt, dass ein in einem Lebensmittel enthaltener Nährstoff nur dann als „Antioxidans“ bezeichnet werden darf, wenn eine offiziell anerkannte empfohlene Tagesdosis (Recommended Daily Intake, RDI) für diesen Nährstoff festgelegt wurde. Solche staatlich anerkannten RDIs wurden für die meisten Vitamine und Mineralien festgelegt. Sie geben die tägliche Nährstoffzufuhr an, die notwendig ist, um Mangelkrankheiten wie Rachitis, Skorbut und Pellagra zu verhindern. Für pflanzliche Extrakte, die beispielsweise OPCs enthalten, ist es aufgrund der Tatsache, dass es sich bei diesen Extrakten nicht um einzelne Substanzen, sondern um komplexe, aus vielen Verbindungen bestehende Bestandteile handelt, technisch und physiologisch unmöglich, solche RDIs festzulegen. Das bedeutet übrigens nicht, dass es unmöglich ist, eine tägliche Zufuhr zu empfehlen, die erforderlich ist, um deren Vorteile zu erzielen. Durch die Festlegung der absolut irrelevanten und bürokratischen RDI-Bestimmung als Grenze für die Verwendung des Begriffs „Antioxidans“ wäre verhindert worden, dass alle pflanzlichen Nährstoffe, für die keine RDI festgelegt wurde, auf den Etiketten von Lebensmitteln als Antioxidans ausgewiesen werden. Die einzigen Antioxidantien, die diesen Angriff überlebt haben, waren und sind bis heute die Vitamine C und E sowie Betacarotin. [i] 

In den frühen 1990ern, einige Jahre bevor die FDA ihren Angriff auf Antioxidantien ankündigte, wurden die OPCs von Masquelier erfolgreich auf dem amerikanischen Markt eingeführt, da sie über eine starke und bewährte antioxidative Kraft verfügen. Nachdem ich von der Haltung der FDA erfahren hatte, informierte ich Masquelier darüber. Ich bat ihn, mit einem Offenen Brief zu reagieren auf den Beschluss der FDA die Verwendung des Begriffs Antioxidans auf die Vitamine C und E sowie Betacarotin zu beschränken. Damit wurde es den Anbietern seiner OPCs nämlich untersagt, sie als Antioxidantien zu bezeichnen und ihre starke antioxidative Wirkung hervorzuheben. Und so veröffentlichten wir am 25. März 1996 folgende Erklärung:

Zweifellos herrscht auf dem Gebiet der Diätetik und der Nahrungsergänzungsmittel derzeit große Verwirrung über die tatsächliche antioxidative Wirkung der Vielzahl von Präparaten, die der Öffentlichkeit derzeit angeboten werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass auf ein und derselben Packung ein Dutzend oder mehr Stoffe angegeben werden, die diese Funktion erfüllen sollen, und die Unmenge an Inhaltsstoffen wirft Zweifel an der Wirksamkeit jedes einzelnen von ihnen auf. Vernünftigerweise weist die FDA darauf hin, dass Moleküle, deren antioxidative Wirkung in vivo beim Menschen unwiderlegbar nachgewiesen wurde, selten sind – daher ihre sehr begrenzte Auswahl der drei vorgenannten Vitamine. 

Ich bin jedoch der Meinung, dass diese restriktive Sichtweise gemäßigt werden sollte, und man sollte zugestehen, dass die Wahl der FDA nicht die einzig mögliche in Bezug auf die positiven Auswirkungen ist, insbesondere wenn eine Idee, die aus den Vereinigten Staaten stammt, von der amerikanischen Bevölkerung so begeistert aufgenommen wurde. Ich möchte auf das französische Paradoxon hinweisen. Diese Idee, die 1991 entstand und durch das Buch von Lewis Perdue [ii], verbreitet wurde, hat sich als weitaus folgenreicher erwiesen als ein bloßer Medienrummel. Sie führt die niedrige Sterblichkeitsrate der Franzosen aufgrund von Herzkrankheiten auf ihren regelmäßigen Rotweinkonsum in Verbindung mit einer mediterranen Ernährungsweise zurück. 

Das französische Paradoxon offenbart der Öffentlichkeit und verkündet der ganzen Welt Ideen, die einem kleinen Kreis von Wissenschaftlern seit Langem bekannt sind. So stellte FAY-MORGAN [iii] bereits 1957 in den USA fest, dass Labortiere, denen Wein verabreicht wurde, deutlich weniger Cholesterin enthielten als Tiere, die Wasser oder verdünnten Alkohol bekamen. Ich selbst habe die Fähigkeit des Weins, Cholesterin abzubauen, 1961 auf der internationalen medizinischen Konferenz in Bordeaux bekannt gegeben [iv]. Ich schrieb dieses Phänomen den Tanninen und insbesondere den OPCs (procyanidolische Oligomere) zu, die ich kurz zuvor im Wein entdeckt hatte [v].

Wegen ihrer gefäßschützenden Wirkung [vi] fanden diese OPCs später Eingang in die Medizin: Der Wirkstoff des von SANOFI WINTHROP hergestellten Medikaments ENDOTELON wird aus Traubenkernen gewonnen. Als St. Leger 1979 im Lancet seinen berühmten Artikel über die schützende Wirkung des Weins in Bezug auf den Tod durch Herzkrankheiten veröffentlichte [vii], blieb auf mysteriöse Weise ein ganzer Katalog an vorherigen Veröffentlichungen unerwähnt, der bereits die Antwort auf das von ihm angesprochene Problem enthielt.

Heutzutage weiß man mehr über die Pathogenese des Atheroms. Wir wissen, dass die Fettablagerung an der Läsion das Ergebnis der Peroxidation der LDL-Fraktion ist, die das Cholesterin transportiert. An dieser Reaktion sind sauerstoffhaltige freie Radikale beteiligt. Daraus lässt sich ableiten, dass der Nutzen, den die Franzosen aus ihrer Lebensweise ziehen, auf der Tatsache beruht, dass ihre Ernährung reich an natürlichen Antioxidantien ist, mit Rotwein als deren Hauptquelle. Auch wenn der Wein kein Vitamin C, Vitamin E oder Betacarotin enthält, so übertrifft sein OPC-Gehalt doch alle anderen Nahrungsquellen: Es ist nicht ungewöhnlich, ein Gramm in einem Liter Rotwein zu finden.

Im Jahr 1985 habe ich die antiradikale Wirkung der OPCs und ihre Verwendung in der Medizin, in Lebensmitteln und in Kosmetika in den USA patentieren lassen [viii]. Zwei Jahre später bestätigte der japanische Biologe Uchida die antiradikale Wirkung von OPCs, die seiner Meinung nach 50-mal so stark ist wie die von Vitamin E [ix]. 1993 zeigte Frankel [x], dass die im Wein enthaltenen Antioxidantien die Peroxidation von menschlichem LDL hemmen. 1995 schließlich schrieb Renaud [xi], der in meinem Labor mit aus Weintrauben extrahierten OPCs arbeitete, diesen die Fähigkeit zu, die thrombotische Gerinnung und das für Alkohol charakteristische Rebound-Phänomen zu verhindern.

Die Forschung der letzten zehn Jahre hat somit den Beweis erbracht, dass der kardiovaskuläre Schutz des französischen Paradoxons weitgehend auf den antioxidativen Eigenschaften der OPCs beruht. Das Ignorieren dieser Beweise öffnet den Weg zum amerikanischen Paradoxon, bei dem sich die FDA gegen Ende des Jahrhunderts von einem der wichtigsten Beiträge zur Humanbiologie abwendet. Natürlich sollten alle neuen Produkte, die in der Diätetik und Medizin verwendet werden sollen, extrem streng geprüft werden, aber seien wir ehrlich: OPCs sind nicht das Ergebnis einer neuen Entwicklung. Die Menschen essen sie, seit sie Obst und Gemüse zu sich nehmen. Schon vor der Ankunft des Menschen auf der Erde übten OPCs ihre antioxidativen Kräfte im pflanzlichen Gewebe aus, das andernfalls den Angriffen der freien Radikale zum Opfer gefallen wäre. Warum findet man OPCs in so großen Mengen, wie z. B. in Traubenkernen? Ganz einfach, weil sie das empfindliche Öl dieser Kerne vor den degenerativen Auswirkungen der Oxidation schützen. Unser erhöhter Bedarf an Antioxidantien ist auf die heutige Verfeinerung unserer Nahrung zurückzuführen. Wir weichen auf Rotwein aus, weil die Pflanzenauswahl und die Kochgewohnheiten unsere Nahrungsquellen für OPCs erschöpft haben.

Die Tatsache, dass die FDA nicht an einem pflanzlichen Produkt interessiert ist, das die empfindlichsten Strukturen der lebenden Zelle schützen soll, scheint ein Beweis für ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Problem des Alterns zu sein. Die Amerikaner hingegen konsumieren nicht zu Unrecht zunehmend OPCs in Form von Nahrungsergänzungsmitteln.

Es bleibt zu hoffen, dass die FDA auch OPCs in die Trilogie von C, E und Beta-Carotin aufnimmt und damit bestätigt, dass sie von unzähligen Anwendern in der ganzen Welt bereits verwendet werden.

J. J. Masquelier

Martillac, France, 25 March 1996

Glücklicherweise war Masqueliers und unsere Hoffnung, dass sein Offener Brief die Dinge zum Besseren wenden würde, nicht vergeblich. In der darauffolgenden Klage gegen die FDA lieferte er den Anwälten, die den amerikanischen Vertreiber von Masquelier‘s OPCs vertraten, Munition, um die FDA davon abzuhalten, ihren Plan umzusetzen. Das Anwaltsteam [xii] argumentierte erfolgreich, dass die FDA ein Unternehmen nicht daran hindern darf, auf der Kennzeichnung von Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln Angaben über deren antioxidative Funktion zu machen, wenn eine Verbindung, die nicht unter die RDI-Richtlinie fällt, wie z. B. OPCs, die Definition eines Antioxidans erfüllt. In der Praxis bedeutet dies, dass Angaben wie z. B.: „Masquelier's Original OPCs haben eine starke antioxidative Wirkung, um die Zellen vor Schäden durch freie Radikale zu schützen“, nicht gegen die Verordnung verstoßen und weiterhin gemacht werden dürfen.

Eine Angabe wie „hoher Gehalt an antioxidativen OPCs“ oder „reich an antioxidativen OPCs“ würde jedoch gegen die Verordnung verstoßen, da eine Angabe, die auf die Menge eines Antioxidans in einem Produkt hinweist, nur für RDI-Nährstoffe gemacht werden darf. Damit man eine solche Angabe machen kann, muss der RDI-Nährstoff die Bedingungen der Verordnung erfüllen. Die Angabe „reich an antioxidativem Vitamin C“ setzt beispielsweise voraus, dass eine Portion des Lebensmittels oder Nahrungsergänzungsmittels mindestens zwanzig Prozent des Tageswertes für diesen Nährstoff enthält. Dennoch gelang es den amerikanischen Verbrauchern, sich über die tägliche Zufuhr von Masquelier‘s OPCs zu informieren, die erforderlich ist, um die behauptete antioxidative Wirkung zu erzielen. Es wurde nämlich bekannt, dass Masquelier in seinem US-Patent ‘360 empfahl, 1,5 bis 3 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht zu konsumieren, um einen signifikanten Radikalfänger-Effekt zu erzielen. Für eine erwachsene Person mit einem Gewicht von 70 kg entspricht dies einer Tagesdosis von etwa 100 bis 200 mg OPCs. Das bedeutet, dass für Kinder eine Tagesdosis von 50 mg bei einem Körpergewicht zwischen 17 und 33 kg und eine Dosis von 2 x 50 mg bei einem Körpergewicht zwischen 34 und 66 kg angemessen ist.

2007 zog die Europäische Kommission nach und entschied ebenso wie die FDA, dass der Begriff „Antioxidans“ als „gesundheitsbezogene Angabe“ zu verstehen sei, wenn er in der „kommerziellen Information“ verwendet werde. Mit dieser Entscheidung fiel die Verwendung des Begriffs in den Anwendungsbereich der europäischen Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben. In diesem Artikel werde ich mich nicht mit den katastrophalen Auswirkungen dieser Verordnung befassen. Leser, die sich für dieses Thema interessieren, verweise ich auf mein Buch und meine Website Health Claims Censored. Lange Rede, kurzer Sinn: Europäische Verbraucher, die sich über die gesundheitlichen Auswirkungen von Nährstoffen und Lebensmitteln informieren wollen, sollten nicht nur die Angaben auf den Etiketten und Verpackungen der Lebensmittel beachten. Gehen Sie einfach online und suchen Sie nach dem, was Sie interessiert. Ja, das erfordert in der Tat, dass Sie aktiv werden, wenn Sie Ihre eigenen Entscheidungen über Ihre Gesundheit treffen wollen. Aber wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, dass Masquelier‘s OPCs gute Antioxidantien sind, die einen Platz in Ihrer täglichen Nahrungsergänzung verdienen, ganz gleich, was europäische Bürokraten und „Experten“ denken oder nicht. Aber verlassen Sie sich nicht auf mein Wort. Lesen Sie einfach noch einmal den Offenen Brief von Masquelier an die FDA.

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[i] Code of Federal Regulations; § 101.54; Nutrient content claims for “good source,” “high,” “more,” and “high potency”, also regulating “Nutrient content claims using the term “antioxidant”. Download displaying title 21, up to date as of 8/30/2024. Title 21 was last amended 8/30/2024
[ii] Perdue, L., The French Paradox, lvol., Renaissance Publishing, Sonoma, CA 95476, USA.
[iii] Fay-Morgan, A., Brinner, L., Plaa, C.B., Stone, M.M., Am. J. of Physiol., 1957, 189, 290-292.
[iv] Masquelier, J., C.R. Congres Medic. Intern., Wine and Grape conference, Bordeaux, 1961.
[v] Masquellier, J., Point, G. Bull. Soc. Phie. Bordeaux, 1956, 95, 6-11.
[vi] J. Masquelier; These Doct. Sciences, Bordeaux, 1948.
[vii] St. Leger A.S., Cochrane, A.L., Moore (F.), the Lancet, 12 May 1979, 1017-1020.
[viii] Masquellier, J., US patent no. 4698360.
[ix] Uchida, s., Edamatsu, R., Hiramatsu, M., Med. Sci. Res., 1987, 15, 831-832.
[x] Frankel, E.N., Kanner, J., German, J.B., the Lancet, 20 February 1993, 454-457.
[xi] Ruf, J.C., Berger, J.L., Renaud, S., Arter.Thromb.Vasc. Biol., 1995, 15, 140-144.
[xii] Attorneys Holly Bayne, Jeff Reinhardt and Steve McNamara at Hyman, Phelps & McNamara.